Karen Elste: "Meine Pseudonyme sind ein Teil von mir, eine Seite von mir, die ich wertschätze."
Liebe Karen, wann hast du mit dem Schreiben angefangen?
Liebe Denise, sehr früh, soweit ich mich erinnern kann.
Ich war schon immer eine Leseratte und hatte damals das Gefühl, lesen und selbst schreiben geht eben Hand in Hand. Sagt man ja auch nicht umsonst: Lesen und Schreiben lernen. Für mich war das Schreiben nie bloße Notwendigkeit um Worte festzuhalten, sondern unabdingbar mit einer kreativen Komponente verbunden.
Meine Mutter hat früher gern Geschichten für mich erfunden und irgendwie war mir klar: das will ich später auch.
Trotzdem hab ich erst mal ein bisschen studiert, dann noch eine Ausbildung gemacht und gearbeitet. Erst seit kurzem läuft die Schreiberei so gut, dass ich ich jetzt freiberufliche Autorin bin.
Wie hast du dir das Schreiben beigebracht? Hast du Kurse besucht?
Nein, ich hab nie einen Kurs besucht. Ich habe einfach immer viel geschrieben und mich mit einer guten Freundin ausgetauscht, die auch schreibt.
Während des Studiums habe ich mich viel mit Literaturtheorie beschäftigt – das hat meine Sinne geschärft. Meinen Eltern bin ich übrigens auch sehr dankbar für den Klavierunterricht, zu dem sie mich geprügelt haben. Bei mir hat die Musiktheorie in sehr jungen Jahren ein Formbewusstsein geschaffen, ein Gefühl für Zeitabschnitte und Spannungsbögen, das ich auch beim Schreiben gut gebrauchen kann.
Hast du immer daran geglaubt, dass du es schaffen wirst, deine Bücher zu veröffentlichen?
Veröffentlichungen haben mich lange Zeit gar nicht interessiert.
Zu Anfang war meine Motivation rein intrinsisch. Schreiben, um meine Beobachtungen festzuhalten, meine Wünsche und Träume zu formulieren. Aber nicht in Form eines Tagesbuches. Abstraktion hat mich schon immer gereizt.
Vielleicht, weil ich mich mein ganzes Leben lang immer ein Stück weit außen vor gefühlt habe. Erst als ich gemerkt habe, dass genau das eine große Qualität ist, um aus der Distanz Dinge wahrzunehmen, die anderen vielleicht gar nicht auffallen, habe ich zum ersten Mal gedacht, dass ich tatsächlich eine zusammenhängende Geschichte schreiben könnte, die Menschen vielleicht gerne lesen würden.
Und jetzt versuche ich, alles unter einen Hut zu bekommen: was Verlage gerne haben wollen, was Leser gerne lesen wollen und das, was ich selbst gerne schreibe.
Es gibt auch durchaus Momente, wo ich immer noch Angst vor der eigenen Courage habe und mich frage, ob das, was ich schreibe, nicht besser in einer Schublade aufgehoben wäre … Veröffentlichungen sind toll, aber ein immer auch ein klitzekleines Bisschen beängstigend für mich.
Setzt du dir Schreibziele? Welcher Art?
Ja und nein. Wenn dann sehr pragmatischer Art. Für die meisten Buchprojekte gibt es eine Gesamtseitenanzahl, die leuchtet mir als grüne Leiste in meinem Schreibprogramm unten täglich entgegen. Das ist dann mein Schreibziel im eigentlichen Sinne.
Manchmal breche ich das runter auf die Tage, die ich noch bis zur Abgabe habe und daraus wird dann ein Tagesziel.
Was weitere Ziele angeht, lasse ich mich treiben. Ich würde gerne einmal einen Familienroman schreiben. Außerdem habe ich noch ein paar Krimi-Ideen in der Schreibtischschublade – da bin ich gespannt, ob ich einen Verlag dafür begeistern kann.
Wie sieht dein Schreiballtag aus?
Hast du Rituale oder Herangehensweisen, die dir dabei helfen, ins Schreiben zu kommen?
Grundsätzlich lese ich, was ich am Vortag fabriziert habe und setzte ordentlich den Rotstift an. Und ich koche mir einen Kaffee, den ich dabei oft vergesse.
Wenn also die Seiten von gestern überarbeitet und der Kaffee endlich kalt ist, kann etwas Neues entstehen.
Du bist unglaublich vielseitig, wie man deiner Homepage entnehmen kann. Du schreibst gerade an einer Hörbuchserie, arbeitest an einem Drehbuch und hast unter Pseudonymen erotische und Liebesgeschichten geschrieben (– aktuell auch? – )
Wie gelingt es dir, die unterschiedlichen Stilrichtungen auseinanderzuhalten? Setzt du dich beispielsweise als Annabell Nolan an den Schreibtisch?
Gute Frage! Ich weiß auch nicht so ganz, wie mir das gelingt … aber grundsätzlich finde ich es toll, in so vielen Genres gleichzeitig schreiben zu dürfen.
Vor einiger Zeit las ich mal in einem Schreibratgeber, wenn man erotisch schreiben wolle, würde es helfen, sich in sexy Unterwäsche lasziv vor dem Laptop zu rekeln.
Ganz ehrlich … unter uns … selbst Karen als Aimée Rossignol sitzt in Yoga-Pants (ein bisschen Sport muss ja sein), T-Shirt und ungeschminkt am Schreibtisch und ist immer in erster Linie Karen.
Beim instragrammen (ich liebe das Verb!) merke ich schon, dass ich zu Annabell Nolan werde. Da gibt es Fotos oder Texte, die ich als Karen so nicht teilen/schreiben würde.
Aber grundsätzlich sind alle meine Pseudonyme ein Teil von mir, eine Seite von mir, die ich wertschätze.
Im Moment switche ich gerade in einer heißen Phase in zwei Projekten zwischen Karen und Annabell und das ist schon herausfordernd.
Annabell Nolan hat auch gerade noch einen weiteren Vertrag für ein neues Projekt bei beebooks unterschrieben, von daher wird es Annabell noch eine Weile lang geben. Aimée Rossignol dagegen pausiert jetzt erst einmal, wobei ich einige Ideen habe, nur leider keine Zeit dafür finde.
Wo schreibst du am liebsten?
Was das Schreiben angeht, bin ich schon ziemlich an mein Zuhause gebunden. Am liebsten arbeite ich an meinem Schreibtisch, wenn es schön ruhig ist und nur die Vögel singen. Ich brauche all die Kleinigkeiten auf meinem Tisch, auf denen meine Augen Ruhe finden und zur Zeit auch meinen Tischventilator ...
Im Sommer gehe ich dann, wenn es das Wetter erlaubt (nicht zu kalt – nicht zu heiß) in den Garten, aber das fühlt sich für mich an, wie mein verlängerter Schreibtisch.
In einem Café könnte ich nie schreiben. Viel zu laut und die Menschen um mich herum würden mich ablenken. Im Herbst ziehen mein Liebster und ich für ein paar Wochen zu meiner Schwester, die in Frankreich lebt. Ich bin mal gespannt, wie ich dort schreibe und wozu mich die Umgebung inspiriert.
Planst du oder schreibst du deine Romane einfach drauflos?
Beides.
Für ein konventionelles Verlagsprojekt plane ich meinen Roman. Das heißt, es gibt ein Exposé mit dem Haupthandlungsstrang und eine Leseprobe - meist irgendwas zwischen 20 und 40 Seiten. Beides bekommt meine Agentin, die es dann hoffentlich bei einem Verlag unterbringt.
Kommt ein Vertrag zustande, entwickle ich kapitelweise den Handlungsstrang, d.h. ich schreibe sehr zielgerichtet, was im Einzelnen passieren muss, damit ich die vorgegebene Seitenzahl erreiche. Erst danach fange ich mit dem eigentlichen „Schreiben“ an.
Als Annabell Nolan schreibe ich zum Beispiel demnächst einen Romantic-Thriller, das heißt, da plane ich wirklich extrem viel vorher, damit der Spannungsbogen erhalten bleibt und die Wahrheit häppchenweise ans Licht kommt.
Wenn ich zum Spaß schreibe, lasse ich mich gerne treiben.
Für mich sind das im Grunde die spannenderen Geschichten, weil ich nicht genau weiß, wohin sich das verläuft und was mir meine Protagonisten als nächstes ins Ohr flüstern.
Meist sind das jedoch Projekte, für die ich so schnell keinen Verlag finde, weil die Geschichten sperrig sind und die Charaktere ambivalent - No-Gos in den klassischen Unterhaltungsgenres. Leider.
Bei audible hatte ich dann aber genau damit Glück – sie waren begeistert. Und ich auch, weil es doch noch Hoffnung für meine anderen Ideen gibt ...
Wie gehst du bei der Entwicklung deiner Figuren vor? Hast du eine bestimmte Vorgehensweise?
Nein, eigentlich nicht.
Figurenentwicklung ist bei mir sehr intuitiv. Meist habe ich einen Satz im Kopf oder eine bestimmte Verhaltensweise. Danach frage ich mich, was bringt diese Figur dazu, so etwas zu sagen oder zu tun. Daraus entsteht dann eine Biografie in meinen Gedanken, die der Leser zu großen Teilen auch nie erfährt. Wichtig für mich ist nur, dass ich sie im Kopf habe.
Wobei ich mir da auch durchaus schwarze Flecken erlaube. Auch im realen Leben teilt kein Mensch alle seine Geheimnisse mit einem anderen. Das gestehe ich auch meinen Protagonisten zu. Ich bin der Autor, nicht Gott. Kleine Geheimnisse machen einen Protagonisten rund und vor allem machen sie ihn auch für mich spannend, weil ich bis zum Ende des Romans noch etwas an diesem Menschen zu entdecken habe.
Du bist bei lovely-Books unterwegs. Wie hilfreich ist diese Plattform deiner Meinung nach zu Marketingzwecken?
Zum Marketing kann ich kaum etwas sagen, da ich ja nicht als Selfpublisher unterwegs bin, und nicht so richtig einschätzen kann, welche der Plattformen tatsächlich Käufe generieren.
Grundsätzlich schätze ich an lovelybooks aber den direkten Kontakt zu den Lesern. Das ist mir auch wichtig und die Leserunden zu „Farben der Lust“ und „Marthas Liebschaften“ haben mir viel Spaß gemacht. Eine Leserin hat sogar ihre Vorstellung von Martha für mich gezeichnet – da war ich sprachlos und sehr gerührt. Ich glaube, das ist das schönste Kompliment, das ich je für eine Geschichte bekommen habe. Ich warte nur noch auf den bestellten Rahmen, dann kommt die Zeichnung über meinen Schreibtisch.
Bist du in irgendwelchen Schriftstellerverbänden?
Ich habe es bisher gerade einmal geschafft, Mitglied im „Verband deutscher Schriftstellerinnen und Schriftsteller“ (verdi) zu werden. Und leider bin ich da auch nicht sehr engagiert. Räusper. Trotzdem finde ich es ganz gut, über einen Verband auch in Rechtsfragen abgesichert zu sein, wobei ich nicht hoffe, dass ich das einmal brauche.
Das kennen vielleicht alle Freiberufler: An erster Stelle kommt das Geldverdienen, also alle Projekte, die ich gerade auf dem Schreibtisch habe. Dann kommt das Selbstmarketing (Instagram, facebook und all das, was man heute so braucht), dann der ganze Papierkram, Steuer, Künstlersozialkasse. Meist ist der Tag zu Ende, bevor ich alles geschafft habe.
Grundsätzlich bin ich auch kein Vereins- oder Gruppenmensch. Mein halbes Leben lang habe ich mit Menschen gearbeitet und das hat mir auch Spaß gemacht, aber jetzt genieße ich es, in Frieden allein am Schreibtisch zu werkeln. Ich brauche viel stille Zeit für mich, habe ich gemerkt. Ansonsten habe ich aber einen tollen Freundeskreis und genieße es, mich auch mal nicht übers Schreiben zu unterhalten, sondern andere Inputs zu bekommen.
Dein aktuelles Projekt ist eine Hörbuchreihe. Worum geht es? Worin unterscheidet sich die Arbeit an einem Hörbuch zur Arbeit an einem Buch?
In meiner Hörbuchserie für audible geht es um den Tod und die allseits gern verdrängte Frage, was danach passiert. Mehr kann ich leider im Moment noch nicht verraten, weil ich tatsächlich in den letzten Zügen des Schreibprozesses stecke und das Marketing noch nicht angelaufen ist.
Im Grunde unterscheidet sich die Arbeit an einem Hörbuch gar nicht so sehr von der Arbeit an einem Roman.
Wenn man einen guten Roman nimmt, dann funktioniert er gelesen genauso gut wie gehört. Ich glaube, es ist eher eine Frage der Präferenz beim Rezipienten. Höre ich lieber? Lese ich lieber?
Ganz persönlich mag ich beides gern, neige aber in der letzten Zeit tatsächlich dazu, mir Geschichten lieber vorlesen zu lassen. Dann fühlt es sich eher an wie Freizeit, als wenn ich selbst lese. Da verfalle ich oft in einen „Analysemodus“ und das ist dann keine Entspannung mehr.
Welche drei Tipps kannst du Schreibanfänger geben?
Schwierig. Ich hab das Gefühl, ich bin selbst noch Anfängerin und werde es wohl auch immer bleiben. Jede neue Geschichte ist immer auch der Anfang einer Weiterentwicklung. Oder wie sagt Hesse? Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne ...
Aber wenn schon, dann vielleicht diese:
- Lesen (unbedingt außerhalb des eigenen Genres)
- Schreiben
- auf die innere Stimme vertrauen
Wo können dich deine Leser im Internet finden?
Bei Instagram: @karenelste und/oder @theannabellnolan
und auf meiner Website: www.karenelste.de
Liebe Denise, vielen Dank für die tollen Fragen! Es hat mir viel Spaß gemacht!