· 

25 - Autoreninterview mit Claudia Lekondra

Claudia Lekondra schreibt seit ihrer Kindheit  Romane und Gedichte, und träumte schon damals davon, eines Tages Buchautorin zu werden. Mittlerweile sind einige ihrer Geschichten im deutschsprachigen Raum erschienen. Unter www.henkeverlag-berlin.de teilt sie monatlich ihre Gedanken mit ihren Lesern im Blog. Claudia Lekondra lebt und arbeitet in Berlin.

Liebe Claudia, danke, dass du uns Einblicke in dein Autorenleben gewährst. Deine Bücher wirken auf mich sehr tiefsinnig. Sie regen zum Nachdenken, zum Auseinandersetzen an. Erzählst du selbst einmal, mit welchen Themen du dich gern auseinandersetzt?

 

Es gibt keine speziellen Themen, mit denen ich mich auseinandersetze. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Ich setze mich mit dem Leben auseinander. Mit dieser Welt in der wir leben, mit den Menschen und deren Geschichten und Beziehungen. Die Themen sind auf einmal da. Die Idee zu meinem Roman „Wie ein Schiff am Horizont“ ist zum Beispiel entstanden, während ich einen Satz in einer Todesanzeige las. Auf einmal wusste ich, worüber ich schreiben wollte. Über unsere Gesellschaft und darüber, dass viele Menschen es verpassen zu leben. Sie nehmen sich vor, morgen mit den für sie wirklich wichtigen Dingen des Lebens zu beginnen. Manche scheitern, weil sie auf einmal feststellen, dass sie gar nicht wissen, was für sie wirklich wichtig ist und andere verschieben ihr Leben immer wieder auf morgen, aber was ist, wenn das Morgen im Heute endet?

 

Dein Roman „Brüder und Schwestern“ widmest du jenen Menschen, die in der DDR ihren Idealen gefolgt sind und deshalb, unter Einsatz ihres Lebens, vom System der DDR verfolgt wurden. Bei mir hat diese Widmung ein bedrückendes Gefühl hinterlassen. Mitglieder meiner Familie sind Opfer des Regimes geworden. Was hat dich inspiriert, dieses Buch zu schreiben?

 

Ich bin im ehemaligen Westteil unserer Republik aufgewachsen. Ein Teil meiner Familie in der ehemaligen DDR. Für mich waren daher die Besuche in der ehemaligen DDR selbstverständlich. Das Leben dort war mir daher vertraut. Als dann die Wende kam, beobachtete ich mit Erstaunen und Befremden, dass einige Menschen aus dem ehemaligen Westteil des Landes von dem Leben in der DDR nicht wirklich eine Vorstellung hatten. Wie selbstgefällig der eine oder andere sich über ehemalige Bürger der DDR und ihre Rollen im System äußerten. Sie reagierten dann erstaunt, wenn ich sie darauf hinwies, dass es einfach ist zu behaupten, man selbst hätte sich angeblich dem System widersetzt. wenn man nicht weiß, wie es sich in einer Diktatur lebt. Dass Täter manchmal zu Opfer werden und Opfer manchmal zu Tätern. So kam ich auf die Idee, mit einem Roman die Leser dazu zu bringen, genau darüber nachzudenken.

 

Wen würdest du gern mit „Brüder und Schwestern“ erreichen?

 

Es geht glaube ich weniger darum, wen ich damit erreichen will, sondern was. Ich möchte etwas dazu beitragen, dass dieser Teil der deutschen Geschichte nicht in Vergessenheit gerät.

 

Du hast das Werk 2004 erstveröffentlicht, 2019 neu verlegt (ist das richtig?). Wie sind die Reaktionen damals und heute gewesen? Vergleichbar? Oder unterschiedlich?

 

Der Roman „Brüder und Schwestern“ ging im November 2019 in die vierte Auflage. Anlässlich des Jahrestages „30 Jahre Mauerfall“ habe ich den Roman überarbeitet. Inhaltlich habe ich allerdings nichts geändert. Seit der ersten Veröffentlichung im Jahre 2004 hat die Geschichte nichts an seiner Aktualität verloren. Ich stelle fest, dass zunehmend junge Menschen, die die DDR als Staat nicht mehr erlebt haben, sich dazu entscheiden, diesen Roman zu lesen. Die Reaktion unterscheiden sich darin, welcher

Generation die Leser angehören. 2004 waren einige von denen, die heute den Roman lesen, Kleinkinder. Diese Generation, sieht in dem Roman tatsächlich eine geschichtliche Unterhaltung und äußern sich betroffen. Einige Leser schrieben mir, dass es nach der Wende innerhalb ihrer Familien einen Bruch gab und oft der wahre Grund verschwiegen wird. Den Nachrichten der Leser entnehme ich, dass diese nachfolgende Generation es bedauert, dass innerhalb der Familie die Vergangenheit nicht aufgearbeitet wird. Man schweigt und geht sich aus dem Weg.

 

Deine Protagonistin Anna ist in der DDR aufgewachsen und kommt als 20-Jährige in die BRD. Aber nicht ganz freiwillig, richtig? Warum nicht?

 

Das kann ich hier an dieser Stelle nicht verraten, weil der Grund vieles offenbaren würde und das wäre nicht fair, falls der eine oder andere die Geschichte gern lesen möchte.

 

War es schwierig, die Atmosphäre der unterschiedlichen Systeme Deutschlands zu transportieren? In das DDR-Regime der 80er und dem „neueDeutschland“ Anfang der 90er?

 

Nein. Ich habe das DDR-Regime der 80er und den Neuanfang der 90er hautnah erlebt. Ich musste mich nur zurückdenken und -fühlen und mich in das Leben meiner Protagonisten finden.

 

Hast du eine Lieblingsstelle in „Brüder und Schwestern“? Welche und warum?

 

Nein. Eine Lieblingsstelle habe ich nicht. Es gibt mehrere Stellen, die mich emotional besonders berühren. Nach wie vor gefällt mir die letzte Szene des Buches, die aus vier Seiten besteht. Es ist nur eine Art Momentaufnahme, aber darin steckt so viel. Mit dem Ende der Geschichte und Annas Entscheidung habe ich mich damals sehr schwergetan. Es war ein Wechselbad der Emotionen, bis ich mir sicher war, wie meine Anna sich entscheidet. Man darf auf keinen Fall, die letzten Seiten vorab lesen, dann bringt man sich um die Spannung.

 

Kommen wir nun zu deinem Schreibprozess, der mich sehr interessiert. Dein Roman weist verschiedene Zeitebenen auf. Wie bist du beim Schreiben vorgegangen?

 

Ich habe keinen Plan. Ich lasse es fließen. Viele Dinge entstehen erst beim Schreiben. Alles, was ich am Anfang meiner Romane weiß ist, was ich an Gefühlen transportieren möchte und was die Moral der Geschichte sein wird. Ich bin dann meist erstaunt, wie sich manchmal Figuren und Situationen entwickeln. Bei meinem Roman „Weder Himmel noch Hölle“, dachte ich am Anfang, dass mein Roman vielmehr von rechtlichen Fällen geprägt sein wird, was dann nicht so war. Das Anwaltsbüro diente nur als „Bühne“ und meine Protagonisten gingen interessante Wege und die Geschichte nahm einen ganz anderen Lauf. Das war eine sehr interessante Erfahrung.

 

Wie gehst du bei der Entwicklung deiner Figuren vor? Hast du eine bestimmte Vorgehensweise?

 

Während des Schreibprozesses lebe ich die Charaktere und irgendwie entwickeln sie sich automatisch. Erst wenn der eigentliche Schreibprozess abgeschlossen ist und es an die Überarbeitung des Romans geht, stelle ich Distanz zu den Figuren und der Geschichte her.

 

Was machst du, wenn du vor dem berühmten weißen Blatt sitzt und einfach nicht vorankommst?

 

Schreibblockaden, eine sehr unschöne Erfahrung, die ich bisher nur einmal machen musste. Ich habe einfach aufgehört zu schreiben und mich mit anderen Projekten beschäftigt. Währenddessen habe ich versucht nicht daran zu denken, dass da eine angefangene Geschichte darauf wartete weiter geschrieben zu werden.

 

Hast du Rituale oder Herangehensweisen, die dir dabei helfen, regelmäßig zu schreiben?

 

Und schon wieder muss ich mit Nein antworten. Ich kenne Kollegen, die sich jeden Tag nach dem Aufstehen sofort an ihren Schreibtisch setzen und los schreiben. Dann kommt eine Mittagspause und danach geht es sofort wieder an den Schreibtisch. Funktioniert bei mir so überhaupt nicht. Ich bin leider so eine Nachteule und die Kreativität packt mich gern zu später Stunde und führt mich dann durch die Nacht. Gott sei Dank reichen mir sechs Stunden Schlaf, so dass ich für den Rest, der in meinem Leben noch so stattfindet, dann zur Verfügung stehe.

 

Kannst du überall schreiben oder brauchst du eine spezielle Umgebung, um zu schreiben?

 

Es kommt darauf an, in welcher Phase ich mich befinde. Während mein Roman entsteht sitze ich selten am Schreibtisch. Ich mag es allerdings ruhig während meiner Schaffenszeit, daher vermutlich auch diese Angewohnheit abends und nachts zu schreiben. Selbst in der Stadt kehrt dann Ruhe ein. Ich mache es mir irgendwo in der Wohnung gemütlich, gern auch bei stimmungsvollem Licht. Wenn es dann an das Überarbeiten geht, sitze ich an meinem Schreibtisch, umringt von Zetteln und Papieren, auf denen sich Notizen befinden.

 

Planst du oder schreibst du deine Romane einfach drauflos? Welche Vorteile hat das Planen für dich?
oder Welche Vorteile hat das Nicht-Planen für dich?

 

Wie bereits erwähnt Plane ich nicht. Das „Nichtplanen“ hat für mich den Vorteil, dass ich meine Kreativität freien Lauf lassen kann. Beim Planen fühle ich mich gebremst. Ohne Planen kann ich es, wie schon erwähnt, fließen lassen und wundere mich dann immer wieder mal, wohin mich dann die Geschichte führt.

 

Du arbeitest gerade an deinem fünften Roman. Worum wird es diesmal gehen? Für wann hast du die Veröffentlichung geplant?

 

Es geht um eine Begegnung zwischen einem Mann und einer Frau nachts auf dem Hoteldach. Beide befinden sich in einer sonderbaren Stimmung und stellen sich die

Frage, was eigentlich im Leben fehlt, wenn man mit seinem Leben doch eigentlich glücklich und zufrieden ist. Sie erstellen in dieser Nacht eine To Do Liste, mit den Dingen, die sie immer schon mal machen wollten und sie nehmen sich vor, die Liste innerhalb eines Jahres abzuarbeiten. Die Veröffentlichung des Romans wird voraussichtlich im Frühjahr 2021 erfolgen.

 

Welches ist dein erfolgreichstes Marketinginstrument für deine Bücher?

 

Instagram und Lesungen.

 

Inwieweit hat die Corona-Isolation deine Arbeit als Autorin beeinflusst? Konntest du im Vergleich mehr oder weniger schreiben?

 

Der Shutdown hat meine Kreativität gelähmt. Ich war wochenlang nicht in der Lage zu schreiben und habe mich von allen Projekten zurückgezogen. Es fiel mir sogar schwer, meinen monatlichen Blog zu verfassen. Sämtliche Lesungen wurden abgesagt und bis heute sind keine neuen geplant. Der Kontakt zu den Lesern fehlt mir. Dass durch den Shutdown bedingte eintönige Leben hatte mir meine Inspiration genommen.

 

Gibt es einen Tipp, den du Schreibenden mit Vollzeitjob mitgeben möchtest?

 

Jeder hat so seinen eigenen Tages-Rhythmus. Mein Tipp ist der, dass man herausfinden sollte, welcher Rhythmus passt. Der eine schreibt eben gern jeden Tag zur gleichen Zeit und innerhalb einer bestimmten Zeitspanne, während der andere sich eine Anzahl an Worten als Tagesziel setzt. Manche schreiben nach Stimmung. Den einen Tag 12 Stunden, an einem anderen Tag nur 2 Stunden und sind damit viel effektiver. Der Vorteil des Vollzeit-Autoren ist ja der, dass man sich den ganzen Tag nach seinem Rhythmus und Vorlieben einteilen kann und man eben nicht auf die Slots“ des Alltages angewiesen ist und dann funktionieren muss.

 

Hier findet ihr Claudia Lekondra im Internet:

www.henkeverlag-berlin.de

https://www.instagram.com/autorin_claudia_lekondra/

 

 

"

Hast du auch Lust bekommen, deinen Roman endlich zu beenden? Möchtest du endlich täglich schreiben? Dann melde dich für meinen Kurs "Starthilfe für deinen Roman" an. Die aktuellen Termine findest du hier.